VBIO

Die EU-Kommission schätzt, dass Antibiotikaresistenzen in der EU etwa 33.000 Todesfälle und Kosten von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verursachen. Ein Weg, der Resistenzbildung vorzubeugen, ist eine deutlich reduzierte und gezieltere Anwendung von Antibiotika. Rein mengenmäßig steht hier die Massentierhaltung im Fokus, gefolgt von der Heimtierhaltung. Antibiotika werden aber auch in Zucht und Haltung von Versuchstieren und bei wissenschaftlichen Tierversuchen selbst eingesetzt.

 

Europäische Initiative zur Reduktion von Antibiotika

Die europäische Kommission hat im Sommer 2021 einen delegierten Rechtsakt vorgelegt, der vorsieht, die Verwendung bestimmter Antibiotika bei Tieren zu unterbinden. Diese „Reserveantibiotika“ sollen allein dem Menschen vorbehalten sein. Konkrete Namen nennt die EU-Kommission dabei nicht - dies muss aber bis spätestens 28. Januar 2022 erfolgen. Die EU-Kommmission bennent aber Kriterien: Es geht demnach um Antibiotika, die für die menschliche Gesundheit von großer Bedeutung sein sind, bei denen ein hohes Risiko der Resistenzübertragung besteht und für die es in Hinblick auf die Tiergesundheit Alternativen gibt.

Vertreter des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments befürchten, dass diese Kriterien zur Bestimmung der Reserveantibiotika erhebliche Schlupflöcher enthalten, die es ermöglichen würden, Reserveantibiotika doch in der Tiermast einzusetzen. Die Bundesärztekammer teilt diese Befürchtung.

Tierärzte befürchten hingegen, dass ein striktes Verbot der Anwendung von Antibiotika bei Heimtieren deren Gesundheit gefährden könnte.

Alle Stakeholder räumen dringenden Handlungsbedarf ein - auch daher hat die komplexe Debatte zwischenzeitlich auch in der Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen.  Zwischen Massen- und Heimtierhaltung, Veterinären und Humanmedizinern ist aber aus dem Blick geraten, was die Entscheidungen für die Arbeit mit wissenschaftlichen Tierveruschen bedeuten.

 


Der Standpunkt des VBIO

Der VBIO hat die Debatte über ein Verbot der Anwendung bestimmter Antibiotika bei Tieren zum Anlass genommen, der EU-Kommission einige Überlegungen zum Einsatz von Antibiotika in der biowissenschaftlichen und biomedizinischen Forschung vorzutragen.

Eine mögliche undifferenzierte Anwendung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge auch im Bereich der wissenschaftlichen Tierversuche leistet nur einen äußerst geringen Beitrag zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes.

Dem geringen Nutzen eines Antibiotikaverbots in der Zucht und Haltung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke steht die absehbare Gefahr gegenüber, dass eine sehr weitgehende Einschränkung der Antibiotikanutzung die Erforschung von Krankheiten bei Mensch und Tier stark beeinträchtigt.

In verschiedenen Forschungsbereichen werden zwingend bestimmte Antibiotika benötigt. Da wir heute nicht wissen, welche neuen Forschungsansätze in Zukunft den Einsatz welcher Antibiotika erfordert, ist es kontraproduktiv, die Anwendung bestimmter Antibiotika auch für wissenschaftliche Tierversuche generell zu verbieten.

Perspektivisch wünscht sich der VBIO eine offene Diskussion darüber, ob Fragen des Tierschutzes bei wissenschaftlichen Versuchstieren und entsprechende Regulierungen nicht im Rahmen des Wissenschaftsressorts geklärt und gesetzgeberisch behandelt werden sollten. Dabei ist uns bewusst, dass ein solches Vorgehen nicht dem status quo auf Ebene der Nationalstaaten entsprechen würde.